Schon früh lässt sich erkennen, dass es sich bei „I Know This Much Is True“ nicht um ein konventionelles Familiendrama handelt. Die Handlung spielt auf drei Zeitebenen, die aber alle miteinander zusammenhängen. In der Gegenwart versucht Dominick das Leben seines Bruders zu retten. Rückblenden zeigen die Jugend- und Studentenjahre der beiden unterschiedlichen Zwillingsbrüder. Außerdem widmen sich die Episoden Thomas und Dominicks sizilianisch-italienischen Großvater, der einst in die USA einwanderte, um rücksichts- und ruchlos seine materiellen Ziele zu verfolgen.
Autor und Regisseur Derek Cianfrance erzählt damit nicht nur eine mehrere Generationen umspannende, intime und tragische Familiengeschichte. Vielmehr verhandelt er universelle und zeitlose Sachverhalte, die auch Geschichte und Gesellschaft der USA widerspiegeln. Die Vergangenheit prägt hier zwar sehr deutlich die Gegenwart, gleichzeitig gibt „I Know This Much Is True“ jedoch Hoffnung, dass vergangene Versäumnisse und Sünden nicht notwendigerweise die Zukunft bestimmen müssen.
Dabei werden heute noch tabuisierte Probleme wie psychische Erkrankungen und deren Auswirkungen sowohl auf die erkrankte Person als auch auf das familiäre Umfeld aufgegriffen.
Keine Frage: Es handelt sich um eine komplexe Erzählung mit niederschmetternden Themen, die nicht unbedingt auf das Harmoniebedürfnis des Streaming-Publikums zugeschnitten sind. Wegen eben dieser Herausforderungen, den eindringlichen Darstellungen und der interessanten Inszenierungsweise des talentierten Regisseurs kann die Serie aber als Gesamtkunstwerk überzeugen.
HBO und Sky kehren wieder einmal zu den kleineren und intimen Geschichten zurück, für die sie zu Beginn des goldenen TV-Zeitalters berühmt geworden sind. „I Know This Much Is True“ muss sich nicht hinter Produktionen wie “Die Sopranos”, “The Wire”, “Deadwood” und jüngeren Serien wie z.B. „The Deuce“, „Show me a Hero“ oder „The Plot against America“ verstecken. Vor und hinter der Kamera sind Profis des Drama-Faches am Werk, die eine Serie für ein erwachsenes und reifes Publikum kreierten.